Nach längerer Pause führt die nächste Station durch die "Stadt der Moderne" eigentlich zu deren Anfang, da sie sowohl chronologisch als auch stilistisch den Beginn des 20. Jahrhunderts in Chemnitz einläutete: die Villa Esche. 1902 vom belgischen Designer Henry van de Velde für den Textilfabrikanten Herbert Eugen Esche entworfen, schlägt das Gebäude die Brücke vom Jugendstil zur Sachlichkeit und markiert damit wohl den Beginn der modernen Architektur in Chemnitz. Heute beherbergt es das Henry van de Velde Museum und dient als Veranstaltungsort für verschiedenste Kulturevents.

Das Modell richtet sich dabei nach dem heutigen Stand und beinhaltet damit sowohl die 1911-Erweiterung von van de Velde, bei der das rückwärtige Obergeschoss weiter ausgebaut wurde, als auch die Vergrößerung des äußeren Oberlichtes im Zuge der Restaurierung 2001. Beim Maßstab war ich zunächst etwas unschlüssig, ob man das ganze nicht größer bauen sollte, um allen Details Rechnung tragen zu können. Allerdings ließ sich das Modell dann auch in diesem kleineren Maßstab von 1:225 überraschend gut umsetzen. Und trotz der mitunter etwas komplexeren Stützstruktur habe ich auch auf diesem Maßstab den Innenraum zumindest in Teilen mit angedeutet. Dazu lässt sich das äußere Oberlicht abnehmen und gibt zunächst den Blick auf das charakteristische innere Oberlicht zwischen dem 1. und 2. Obergeschoss frei, welches wohl den stilisierten Zweig eines Eschenbaums in Buntglas darstellt. Und auch dieses kann abgenommen werden und ermöglicht wiederum den Blick durch die das gesamte Haus verbindende zentrale Halle bis ins Erdgeschoss. Ich hätte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass ich sowohl das komplette Atrium als auch das markante Glasfenster umsetzen kann, aber durch die Verwendung eines halbtransparenten Aufklebers ergab es sich dann doch recht natürlich, obwohl ich gehofft hatte, dass es im Modell noch etwas markanter rauskommt. Und damit nicht genug, kann das Modell auch beleuchtet werden. Dabei war mir vor allem eine Balance wichtig, bei der das Licht dezent in die Haupthalle leuchtet (und damit auch das Buntglasfenster betont), ohne dass das große äußere Oberlicht penetrant glüht.

Auf dieser Größe habe ich wiederum überlegt, ob man nicht sogar das gesamte Grundstück bauen könnte, mit der Remise (in der sich heute ein sehr gutes Restaurant befindet) und dem Gartenbereich. Denn nicht nur das eigentliche Wohngebäude, sondern das komplette Areal wurde von van de Velde (bzw. der Garten wohl auch von seiner Frau Maria Séthe) im Sinne eines Gesamtkunstwerkes entworfen. Ich habe mich dann aber doch für ein etwas stromlinigeres Modell entschieden, auch weil ich ehrlicherweise nicht unbedingt Lust hatte, noch mind. eine 32er-Platte nur begrenzt ebener Landschaft zu bauen.
Ich will aber nicht ausschließen, dass man sich irgendwann mal noch einem Komplettmodell annehmen könnte. Bis dahin müssen ein Bäumchen in der Ecke und ein paar Ränklein am Gebäude ausreichen.

Etwas kontrovers könnte vielleicht die Farbwahl sein, besonders für die gelb-Hater unter den Rogues.
Die erste Farbe, die mir in den Sinn kam, war Bright Light Orange, da es zwar recht kräftig und dunkel ist, aber dem ocker des Originals noch am ehesten gerecht wird und es davon auch so ziemlich alle wichtigen Teile gibt (naja fast…). Grundsätzlich begrüße ich auch jede Gelegenheit, Architecture-Modelle in nicht-Architecture-Farben zu bauen.
Was mich jedoch lange beschäftigt hat, war die Frage, ob man die glatt verputzten Elemente durch eine hellere Farbe hervorheben sollte, ähnlich wie bereits beim vorigen Modell. Ich entschied mich dann, diese Bereiche in klassischem gelb zu gestalten, auch weil ich mitunter überlegt hatte, ob dieses nicht vielleicht für das gesamte Gebäude passender wäre. Nun ist gelb schon durchaus grell, aber Tan wäre wiederum zu farblos gewesen und am Ende muss man sowieso immer damit leben, dass Plaste-Modelle aus LEGO nunmal in gewissem Maße grell sind. Die Idee, den blauen Fenstern und Türen Rechnung zu tragen, indem ich sie trans light blue baue, habe ich dagegen nicht weiter verfolgt und stattdessen versucht, auf jeder Seite hier und da ein paar dunkelblaue Akzente an den entsprechenden Stellen unterzubringen.

Noch kontroverser könnte allerdings sein, dass ich in dem Modell zwei Teile verbaut habe, die es von LEGO gar nicht gibt!
Es handelt sich um die 2x6 Wedge Plates in Bright Light Orange auf der Rückseite, deren glatte Noppen ironischerweise auch so ziemlich die einzigen im gesamten Modell sind. Nun bin ich aus mannigfaltigsten Gründen schon immer LEGO-Purist und habe mich mit der Entscheidung auch etwas schwer getan. Das ganze ließe sich auch problemlos mit existierenden Teilen bauen, indem man die Wedge Plates in 2x4-Wedge und 2x2-Platte zerlegt (vergl. auch Rebrickable), allerdings sind diese Teile einfach absolut perfekt für diese Elemente. Da dies aber heute ohnehin nicht mehr so ein großes Tabu ist, es mich bei jemand anderes auch nicht stören würde und es immer noch Teile aus der Farb- und Formenpalette von LEGO sind (davon, wie Rocco meine eigenen Molds zu entwerfen, bin ich noch weit entfernt), entschied ich mich, hier mal über meinen Schatten zu springen, statt eines Kompromisses, der nur aus dem Chaos der Farb-Form-Kombinationen resultiert. Auf meinen Noppen wird sich auch in Zukunft das bautechnisch nicht unbedingt immer förderliche Logo finden, aber ich fühle mich hier in erster Linie der Originaltreue des Modells und nicht seiner möglichst originellen Umsetzung verpflichtet. Diese 2 Teile hindern mich auch nicht daran, es als "LEGO-Modell" zu bezeichnen, aber sollten sie für Ausstellungen oder LUGs ein Problem darstellen, lässt es sich wie gesagt auch umgestalten.
Anleitung auf Rebrickable gibt es natürlich auch wieder (wenn sie's denn bald mal freischalten). Alles in allem bin ich begeistert und ehrlicherweise überrascht, wie detailtreu sich das Gebäude auf diesem kleinen Maßstab umsetzen ließ und dabei mit Beleuchtung, "begehbarer" Haupthalle und dem charakteristischen Buntglasfenster trotzdem ein breites Spektrum an "Spielfunktionen" bietet. Dafür hat es aber auch einiges an Zeit in Anspruch genommen und ich muss zusehen, dass ich für Berlin und Friedrichshafen noch mindestens zwei weitere Modelle fertig kriege. Dass sich das gesamte Thema wohl noch weit ins nächste Jahr ziehen wird, ist mir sowieso bereits klar.